Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen"

14.12.2023

Oft stereotyp: Gewalt an Frauen in den Medien

Was sich ändern muss, damit die Inszenierung geschlechtsspezifischer Gewalt Teil der Lösung wird

Gewalt gegen Frauen ist in den Medien allgegenwärtig. Das ist nicht nur ein Gefühl, das belegen auch die Zahlen. Allein ein Drittel aller TV-Sendungen zeigt geschlechtsspezifische Gewalt, so das Ergebnis einer Studie. Die Präsenz des Themas im Fernsehen aber auch auf Streaming-Plattformen kann eine Chance sein. Dafür müssen Medienschaffende ihre Verantwortung wahrnehmen und Veränderungen anstoßen.

Wann ist geschlechtsspezifische Gewalt zu sehen?

Die Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt umfasst alle sichtbaren, hörbaren und szenisch dargestellten Handlungen, die zu körperlichen, sexuellen, psychischen oder wirtschaftlichen Schäden oder Leiden führen und die sich aufgrund des biologischen oder sozialen Geschlechts gegen eine Person richten. Dazu gehört auch die Inszenierung von Nötigung oder Häuslicher Gewalt.

Aber wie häufig und in welcher Form wird geschlechtsspezifische Gewalt im Fernsehen eigentlich dargestellt? Um diese Frage beantworten zu können, haben die MaLisa Stiftung und die UFA GmbH die Studie "Geschlechtsspezifische Gewalt im deutschen TV" gefördert. Forschende der Hochschule Wismar und der Universität Rostock werteten genreübergreifend 545 Sendungen acht deutscher Fernsehsender aus, die 2020 in einem Untersuchungszeitraum von zwei Wochen ausgestrahlt wurden. Das Ergebnis: In 34 Prozent der analysierten TV-Beiträge wurde geschlechtsspezifische Gewalt gezeigt. Zu sehen waren 290 Gewalthandlungen, die 390 unterschiedliche Tatbestände umfassen, darunter sexualisierter Missbrauch, Körperverletzung, Menschenhandel, Erpressung und Mobbing. Dabei wurden vor allem Frauen als "Opfer" inszeniert.

Gewalt nicht nur im Krimi sichtbar

In Krimi-Serien und Spielfilmen war geschlechtsspezifische Gewalt besonders präsent. Aber auch Nachrichtensendungen, Boulevard-Magazine oder Doku-Soaps bildeten sie ab. Geschont wurden die Zuschauerinnen und Zuschauer nicht: 46 Prozent der Beiträge stellten die Gewalt explizit, das heißt deutlich und eindeutig dar. In 38 Prozent der Sendungen wurde sie ausführlich und detailreich beschrieben. Kein einziger Beitrag war mit einer sogenannten Trigger-Warnung versehen, um die Zuschauenden auf die gewalttätigen Szenen hinzuweisen.

Auch die Perspektive der Betroffenen fand in den Serien, Film- und Fernsehbeiträgen kaum oder gar keine Berücksichtigung. Ihre Gedanken und Gefühle bezüglich der Gewalterfahrung wurden vollständig ausgeblendet oder nur beiläufig wiedergegeben. Verweise auf Hilfsangebote fehlten. Die gesamte Studie finden Sie hier.

Was muss sich verändern – und warum?

Auf Grundlage der Studienergebnisse haben die MaLisa Stiftung und Akteurinnen und Akteure aus der Medienlandschaft in den vergangenen Monaten in unterschiedlichen Formaten über das Thema diskutiert und Empfehlungen für Medienschaffende erarbeitet. Das Impulspapier "Geschlechtsspezifische Gewalt in Kino, Streaming und Fernsehen"  wurde im November 2023 in Zusammenarbeit mit dem Netzwerk Women in Film and Television (WIFT) Germany und dem Bundesverband Schauspiel veröffentlicht. Die Botschaft: Medienschaffende tragen Verantwortung. Das gilt sowohl für die Presse-Berichterstattung als auch für fiktionale Beiträge im TV oder auf Streaming-Portalen. Jede Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt prägt die Wahrnehmung von gewaltbetroffenen Frauen und den öffentlichen Umgang mit dem Thema. Durch eine verantwortungsvolle Inszenierung kann die mediale Darstellung die Prävention gegen Gewalt an Frauen fördern und ihr aktiv entgegentreten, statt sie zu konterkarieren. Folgende Maßnahmen sind aus Sicht der Expertinnen und Experten besonders wichtig:

  • Niemals Gewalt leichtfertig inszenieren
    Bevor es zu einer Darstellung bzw. Inszenierung geschlechtsspezifischer Gewalt kommt, sollten sich Medienschaffende die Frage stellen, ob die Gewaltszene unverzichtbar ist – oder ob es im Sinne des Storytellings und der Dramaturgie eine Alternative gibt. Stimmen alle Sendeverantwortlichen sowie die die Akteurinnen und Akteure aus den Bereichen Drehbuch, Redaktion, Kamera oder Schauspiel der Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt zu, muss Recherchearbeit und die Meinung von Expertinnen und Experten einfließen. Die Beiträge dürfen keine Stereotype zum Thema (sexualisierte) Gewalt gegen Frauen bedienen. Der Fokus muss auf der Perspektive der Betroffenen liegen. Trigger-Warnungen müssen das Publikum auf die Darstellung geschlechtsspezifischer Gewalt hinweisen.
  • Betroffene selbst zu Wort kommen lassen
    In den Darstellungen geschlechtsspezifischer Gewalt kommt die Perspektive der Betroffenen in der Regel zu kurz. Auch das sollte sich aus Sicht der Expertinnen und Experten aus Kultur und Gesellschaft ändern. Betroffene Frauen müssen sichtbar sein und ausführlich zu Wort kommen, um ihre eigenen Gedanken und Gefühle bezüglich der Gewalterfahrung und ihrer Folgen zu schildern. Die Situation der Betroffenen muss für die Zuschauerinnen und Zuschauer nachvollziehbar werden. So kann die mediale Darstellung von geschlechtsspezifischer Gewalt wichtige Botschaften vermitteln: Gewalt gegen Frauen hat viele Facetten – und sie ist nie in Ordnung. Es gibt Auswege. Die Gesellschaft sieht und hört beim Thema Gewalt gegen Frauen nicht weg.
  • Auf Hilfsangebote verweisen
    Der Verweis auf Unterstützungsangebote spielt dabei laut aktuellem Impulspapier eine große Rolle. Spätestens im Anschluss an eine Sendung sollte auf Kontakte und Beratungsmöglichkeiten wie das Hilfetelefon "Gewalt gegen Frauen" verwiesen werden. So besteht die Möglichkeit, dass gewaltbetroffene Frauen aber auch Menschen in deren sozialem Umfeld sowie Fachkräfte direkt nach der Ausstrahlung oder zu einem späteren Zeitpunkt zum Telefon greifen, um individuelle Lösungen zu suchen und gewaltbetroffene Frauen in ihrer Entscheidungsfindung zu stärken.  

Es bewegt sich was!

Die gute Nachricht zum Schluss: Immer mehr Medienschaffende nehmen ihre Verantwortung wahr und machen sich für einen verantwortungsvollen und bewussten Umgang mit der Inszenierung von Gewalt gegen Frauen stark. Für die Presse-Berichterstattung sind bereits mehrere Leitfäden im Umlauf und auch der Bereich der Fiktion zieht nach. Neben dem aktuellen Impulspapier der MaLisa Stiftung gibt es weitere Handlungsempfehlungen für Medienschaffende. Einen Überblick erhalten Sie zum Beispiel hier

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